Speisen wie Mercator?
Saisonale und regionale Produkte bestimmten den Speiseplan im 16. Jahrhundert.
Kartoffeln,Tomaten und Schokolade waren unbekannt.
von Harald Küst
Kochen ohne Tomaten und Backen ohne Schokolade – das war der Küchenalltag im 16. Jahrhundert. Während regionale Produkte die Speisekarte bestimmten, waren exotische Zutaten selten und teuer.
Auch im Hause des berühmten Kartografen Gerhard Mercator, der mit seiner Familie in Duisburg an der Oberstraße lebte, prägte sicher ein einfacher, aber durchdachter Speiseplan den Alltag.
Barbara Mercator: Mehr als die Frau an seiner Seite
Über Barbara Mercator, die Ehefrau des Kartografen, ist nur wenig bekannt, doch ihre Rolle im Familienleben war entscheidend. 1536 heiratete das Paar in Löwen, und ein Jahr später kam das erste von sechs Kindern zur Welt. Nach dem Umzug nach Duisburg organisierte Barbara nicht nur den Haushalt, sondern kümmerte sich um den Garten und die Tiere. Außerdem bewirtete sie die zahlreichen Gäste, darunter Studenten und Gelehrte, die im Haus ein und aus gingen.
Die Küche: Einfach, aber funktional
Die Küchenausstattung des 16. Jahrhunderts war schlicht, aber zweckmäßig. Dreibeintöpfe, sogenannte Grapen, hingen über dem offenen Feuer und ersetzten die bis dahin üblichen Kugeltöpfe. Auch Zinnteller, Bratpfannen, Mörser und Schürhaken gehörten zur Standardausrüstung. Auf einem einfachen Eisenherd, der weit von modernen Herdplatten entfernt war, wurden vermutlich die Speisen zubereitet. Der Keller des Hauses diente der Lagerung von Salz- und Fleischvorräten sowie von Wein, der bei Feierlichkeiten serviert wurde.
Regionale Produkte auf dem Speiseplan
Barbara Mercator erledigte ihre Einkäufe auf dem alten Markt hinter dem heutigen Rathaus. Neben Schweinefleisch, Geflügel, Butter, Käse, Eier und einheimisches Gemüse prägten den Speiseplan. Kartoffeln oder Tomaten waren im 16. Jahrhundert noch unbekannt. Die Verwendung von regionalen Produkten war selbstverständlich und die Saison bestimmte die Vielfalt der Gerichte. Hülsenfrüchte wie Erbsen und Bohnen, Getreidebrei und Gemüsesuppen waren feste Bestandteile der Alltagsküche. Fleisch und Fisch wurde oft geräuchert oder gesalzen, um sie über längere Zeiträume lagern und konsumieren zu können. Das Räuchern war aber nicht nur eine Möglichkeit zur Konservierung, sondern trug auch zur Geschmacksverbesserung bei.
Obwohl exotische Zutaten wie Feigen und orientalische Gewürze wie Pfeffer und Muskatnuss gelegentlich verwendet wurden, waren diese Luxusgüter teuer und wurden nur sparsam eingesetzt. Heimische Kräuter wie Petersilie, Kümmel und Dill waren in der Küche weitaus häufiger zu finden. Süße Backwaren mit Zucker oder Honig galten als besondere Leckerei, und Schokolade, die erst im 17. Jahrhundert ihren Weg nach Europa fand, spielte im Hause Mercator noch keine Rolle.
Fleisch und Wein nur zu besonderen Anlässen
Im Haushalt Mercator gab es Fleisch und Wein nicht jeden Tag – diese Speisen waren besonderen Anlässen vorbehalten. Historische Quellen zeigen, dass Gerhard Mercator Anteile an der Eichelmast im Duisburger Wald besaß und seine Lehrtätigkeit am örtlichen Gymnasium sogar in Schweinen bezahlt wurde. Diese „drie vetten Varken“ (drei fette Schweine) landeten dann bei festlichen Gelegenheiten auf dem Tisch. Auf der Festtagsküche-Speisekarte stand zum Beispiel Spanferkel gefüllt mit Esskastanien mit Zwiebeln, verfeinert mit Ingwer, Gewürznelken und Kardamom. Als Nachspeise gab es gedeckten Apfelkuchen mit Rosinen, Zimt, Anis, Ingwer und Muskat. Dazu wurden Getränke wie Maulbeerwein und Honigwein, aber auch Säfte serviert.
Alltagsessen
Es ist naheliegend, dass Barbara Mercator meist einfache Gerichte auf den Tisch brachte. Bohnensuppe, gesottener Kohl in Rinderbrühe, Getreidebrei, einfache Eintöpfe aus Gemüse und Hülsenfrüchten waren damals weit verbreitet. Käse und Brot ergänzten die Mahlzeiten und boten eine gesunde Grundlage. Im Alltag griff man eher auf Molke, Säfte und alkoholarmes Bier zurück. Der Speiseplan war zwar meist bescheiden, aber ausgewogen – und gelegentlich konnte ein Festmahl die Alltagskost zu einem besonderen Erlebnis machen.
Zum Weiterlesen:
Ehlert, Trude: Das Kochbuch des Mittelalters: Rezepte aus alter Zeit. Ostfildern 2000.
Kochbuch des Meisters Hans, das um das Jahr 1460 herausgegeben wurde, vgl. Maister hannsen des von wirtenberg koch. Transkription, Übersetzung, Glossar und kulturhistorischer Kommentar von Trude Ehlert. Frankfurt 1996.