Die Volontärin und der butternde Hund
Kai Ricarda Reinhoff erforscht Geschichte hinter Objekten. Die Irdenware im Stadtmuseum erzählt viel über die Umbrüche um 1800.
Im Stadtmuseum Duisburg schlummert „revolutionäre Irdenware“ im Verborgenen, die spannende Einblicke in die Kulturgeschichte vermittelt. Es handelt sich um zwei Wandfliesen aus der Werkstatt von Gerrit Evers mit den Darstellungen „Butternder Hund“ und „Hund als Koch“. Die Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Volontärin Kai Ricarda Reinhoff weist auf den Schmuck- und Erzählreichtum der niederrheinischen Irdenware hin: „Die Hundedarstellung stammt aus der Zeit der Französischen Revolution und spiegelt eine antifranzösische Haltung wider. Die eine Wandfliese zeigt einen Hund, der auf einem Tisch steht und mit einem Butterfass buttert, die andere Wandfliese zeigt den Hund als Koch, der in einem Topf über dem Herdfeuer rührt.“ Der Text dazu lautet: „Was sind das für Vürare sachen das der Hunt auf solche art sol butten“ und „das ich armer Hunt muss hier arbeiten Vür die anderen ihren Mund“. Die Inschriften deuten auf eine versteckte Protesthaltung gegen die französischen Revolutionäre und die damit verbundenen Abgaben und Belastungen hin, so Reinhoff.
Der „Butternde Hund“ kann als bildlicher Vergleich für einen Zustand dienen, in dem man hart arbeitet, aber nicht von der Stelle kommt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Stampfbutterfässer entwickelt, deren Antrieb über ein Lauf- oder Tretrad für den Hund erfolgte. Damit der Hund seinen „Arbeitsplatz“ nicht verlassen konnte, war das Gerät von einer kastenähnlichen Holzverkleidung umgeben. Auch die vor der Schnauze des Tieres aufgehängte Wurst blieb unerreichbar. Eine Metapher für das harte Leben der Töpfer.
Zum historischen Hintergrund: Nach der Eroberung der linksrheinischen Gebiete im Jahr 1794 durch französische Truppen ging es drunter und drüber. Das organisierte Bandenwesen erlebte damals eine Blütezeit.
Wirtschaft und Verwaltung litten unter Kompetenzwirrwarr und liefen nicht rund. Die Stimmung gegenüber Frankreich war zwiespältig. Einige Unternehmer hofften mit der Abtretung der linksrheinischen Gebiete auf einen wirtschaftlichen Aufschwung, andere waren voller Skepsis. Mit dem Frieden von Lunéville 1801 gehörte das Land von Kleve bis Saarbrücken staatsrechtlich zu Frankreich. Napoleon Bonaparte war nun der mächtigste Herrscher Europas. Auch das heutige linksrheinische Duisburg wurde französisch. Am Niederrhein hoffte man zunächst auf Freiheit, Gleichheit und eine moderne Rechts- und Wirtschaftsordnung. In der Modernisierung der Verwaltungsstrukturen nach französischem Vorbild sahen viele Rheinländer durchaus Vorteile.
Doch mit der Zeit schlug die Stimmung um: Die Kontinentalsperre, die Zwangsrekrutierung vieler Männer in die französische Armee, die Arbeit der Geheimpolizei und die Zensur führten zu innerer Emigration und Wut in der Bevölkerung. Mit der Zeit bröckelte das Bild des scheinbar unbesiegbaren Napoleon. Das Ende ist bekannt: Die Koalition aus Österreich, Russland und Preußen bereitete dem Korsen das militärische Ende. Zum Jahreswechsel 1813/14 feierten Kosaken und Preußen am Niederrhein den Sieg über Napoleon.
Ging es dem Töpferhandwerk danach besser? Eher nicht. Der „Töpfer“ Walter Draeck hatte seinen Wohnsitz von Schaephuysen nach Duisburg-Duissern verlegt. Seine Witwe führte die Töpferei weiter, später übernahm die Familie Ostermann den Betrieb an der Schweizer Straße (neben der Gaststätte „Kartoffelkiste“). Veränderte Konsumgewohnheiten und gestiegene Ansprüche an das Material führten zum Niedergang des Töpferhandwerks. Das Ostermann-Gebäude wurde 1953 abgebrochen. Es war das letzte Zeugnis der alten Duisserner Töpferkolonie. Prunkschüsseln, Braut- und Hochzeitsteller des Duisburger Töpfermeisters Walter Draeck sind heute in einer Vitrine des Stadtmuseums zu sehen.
Autor: Harald Küst
Zum Weiterlesen
Schröder, Sebastian: Butternde Hunde. Auf: https://www.alltagskultur.lwl.org/de/blog/butternde-hunde/.
Tromnau, Gernot: Am Anfang war… Kostbarkeiten aus dem alten Duisburg. Darin: Volkstümliche Keramik vom Niederrhein, S. 70–75. Duisburg 2002.
Knieriem, Michael: Töpfer am linken Niederrhein (17.–19. Jahrhundert). Auf: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/toepfer-am-linken-niederrhein-17.-19.-jahrhundert/DE-2086/lido/57d12e7fdc21b3.21972846.