Mit Streifenwagen und Schreibmaschinen – Kriminalkommissare vor, während und nach der NS-Zeit
Zur Wanderausstellung „Die Kommissare – Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920 – 1950“ im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Duisburg (25. Oktober 2022 bis 6. Januar 2023)
Die Frage „Wer waren die Täter?“ stellt sich im Kontext des Nationalsozialismus häufig, dennoch bleiben die Antworten oft diffus. Nicht selten versteckten sich Einzelne und ihre Taten hinter Befehlen, den Mauern von Institutionen oder Schreibtischen. Bei der Kriminalpolizei waren örtliche Einheiten in zahlreichen Fällen an den Verbrechen der Nationalsozialisten beteiligt. Die Wanderausstellung „Die Kommissare. Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920 – 1950“ betont diese besondere Rolle der Polizei im NS-Staat.
Konzipiert wurde die Ausstellung von der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf und ist nun – in Kooperation mit dem Zentrum für Erinnerungskultur – vom 25. Oktober 2022 bis 6. Januar 2023 im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in Duisburg zu sehen.
Mit dem Blick auf die Täterinnen und Täter, die als Mitarbeitende der Kriminalpolizei zur Zeit des Nationalsozialismus wirkten, und weiteren Aspekten der Polizeigeschichte widmet sich die Ausstellung in Duisburg lokalen Biografien und dabei insbesondere der Verfolgung Duisburger Sinti. Hinter Schreibmaschinen und Akten saßen Menschen wie die Polizeifürsorgerin Anne Pillmann, die, der rassehygienischen Ideologie folgend, die Diskriminierung, Verfolgung und nicht zuletzt Deportation und Ermordung zahlreicher Sinti*zze und Rom*nja begünstigten und ermöglichten. Ähnliches gilt für den Kriminalobersekretär Wilhelm Helten, der sich schon früh im Dienste der Nationalsozialisten profilierte und ab 1940 im Polizeipräsidium Duisburg sowohl für die Überwachung von „Berufsverbrechern“ als auch für „Zigeunerangelegenheiten“ zuständig war. 1941 übernahm er die operative Koordination in der sog. Unterabteilung „K I (Z)“ (Kriminalinspektion „Zigeuner“) und war damit maßgeblich für die Überwachung, Erfassung und Kontrolle der in Duisburg ansässigen Sinti verantwortlich.
Dass Anne Pillmann und Wilhelm Helten aktiv zum Völkermord an mehreren hunderttausend Sinti*zze und Rom*nja beigetragen haben, wird ihnen nach 1945 nicht zum Verhängnis. Im Gegenteil. Beide verschweigen entscheidende Mitgliedschaften in nationalsozialistischen Verbänden und werden im Entnazifizierungsverfahren als „Mitläufer“ und unbelastet eingestuft. Im Fall Pillmann zeigt sich die „zweite Verfolgung“ der Sinti*zze und Rom*nja in der Bundesrepublik auf dramatische Weise. Sie wird – auf Grund ihrer „Expertise“ – dem Wiedergutmachungsamt zugeteilt und verhindert durch ihr rassistisches Eingreifen, dass zahlreichen Opfern, ihren Familien und Angehörigen berechtigte Ansprüche auf Entschädigung entgehen.
Das Zentrum für Erinnerungskultur wird sich in den folgenden vier Monaten – parallel zur Laufzeit der Ausstellung „Die Kommissare“ – im Rahmen einer Blogreihe Anne Pillmann und weiteren Täterinnen und Tätern widmen.
Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Programm begleitet:
Montag, 7.11.2022 um 18.00 Uhr
Vortrag von Prof. Dr. Sabine Mecking (Universität Marburg)
Polizei und Anti-Atomkraftproteste in den 1970er und 1980er Jahren
Dienstag, 15.11.2022 um 18.00 Uhr
Vortrag von Dr. Ulrich Opfermann (Krefeld)
Duisburger Polizisten vor und nach der „Stunde Null“. Ein Überblick
Dienstag, 22.11.2022 um 18.00 Uhr
Werkstattgespräch Ricarda Reischl (Duisburg)
Verfolgung, Handlungsspielräume und Selbstbehauptung einer Duisburger Sinti-Familie in der NS-Zeit.
Montag, 28.11.2022 um 18.00 Uhr
Podiumsdiskussion
Polizeigeschichte im 20. Jahrhundert – (geschichts)wissenschaftliche Fragestellungen und gesellschaftliche Relevanz
Mit Udo Behrendes (Ltd. Polizeidirektor a.D.), Prof. Dr. Sabine Mecking (Universität Marburg), Dr. Thomas Roth (NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln), Prof. Dr. Klaus Weinhauer (Universität Bielefeld)
Moderation: Dr. Martina Wiech (Landesarchiv NRW)
Dienstag, 6.12.2022 um 18.00 Uhr
Filmabend
„Internationale Polizeiausstellung in Essen vom 1. bis 23. September 1956“
„Zu jeder Stunde. Aus der Polizeipraxis des Alltags“ (1957)
Beide Filme geben einen Einblick in die Arbeit und die Ausstattung der Polizei in den 1950er-Jahren. Dabei handelt es sich nicht um Dokumentationen, sondern um Werbefilme, die bei der Bevölkerung Verständnis und Akzeptanz für die polizeiliche Arbeit schaffen wollen.
Einführung: Dr. Matthias Meusch (Landesarchiv NRW)
Veranstaltungshinweise
Alle Veranstaltungen finden im Landesarchiv NRW statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine vorherige Anmeldung ist – bis auf die Ausstellungseröffnung – nicht erforderlich. An allen Terminen ab dem 7. 11. besteht die Möglichkeit, in einer halbstündigen Führung das Landesarchiv kennenzulernen. Treffpunkt ist jeweils um 17. 20 Uhr im Foyer.
Es gelten die zum Zeitpunkt der jeweiligen Veranstaltung gültigen Corona-Regeln. Diese sowie aktuelle Informationen finden Sie auf der Homepage des Landesarchivs unter www.lav.nrw.de