Wissenschaft mal anders: Donaldisten im Museum
Am 30. Oktober erwartet das Museum einen ganz besonderen Gast. Patrick Bahners, der ehemalige Chef des Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und derzeitiger NRW-Kulturkorrespondent des Blatts, wird über den „Humboldt Entenhausens“ berichten.
Ein Vortrag über einen fiktiven Charakter aus einem Comic scheint in Zeiten, in denen die Ausstellungshalle mit den Enten der DUCKOMENTA® vollgestopft ist, nichts Außergewöhnliches zu sein. Dennoch könnte die Frage aufkommen, warum eine Wissenschaftsinstitution wie das KSM den traditionellen Sonntagstermin um 15 Uhr für „Professor Püstele und das Land der viereckigen Eier“ freimacht.
Der Grund ist einfach: Hier wird Wissenschaft betrieben. Herr Bahners ist nämlich nicht nur einer der führenden Köpfe der FAZ-Redaktion, nebenbei engagiert er sich auch noch als Donaldist. Als solcher steht die Erforschung des Comic-Universums um Donald, Dagobert und Co. im Mittelpunkt.
Donaldismus, ist das Wissenschaft oder kann das weg, kann man sich nun fragen: Was haben solche fiktiven Welten mit mir zu tun?
Der Donaldismus besitzt, wie die klassische Geschichtswissenschaft, einen Bestand an Primärquellen, die für den Erkenntnisgewinn befragt werden müssen. Analysiert werden ausschließlich die Werke des Donald-Altmeisters Carl Barks (1901-2000). Barks begann in den 1940er Jahren Entengeschichten zu zeichnen und fügte dem Entenhausen-Universum viele unverwechselbare Charaktere hinzu. So ließ er 1947 den reichen Onkel Dagobert erstmals in einer Weihnachtsgeschichte auftauchen. Die Barks-Geschichten werden als „Berichte“ bezeichnet, die eine Wahrheit aus einem Paralleluniversum transportieren, in dem die Enten wirklich existieren.
Unter den Donaldisten sind aber nicht nur Geisteswissenschaftler und Geisteswissenschaftlerinnen vertreten. Alle Disziplinen der Forschung lassen sich auf die gezeichneten Geschichten anwenden. Donaldisten veröffentlichten Abhandlungen zur Geografie Entenhausens (samt Kartenmaterial), erklärten, nach eingehender Forschung, die Panzerknacker AG zur Regierungsorganisation und Tick, Trick und Track zu einem Wesen mit drei Körpern.
Besonders gerne nehmen germanistikaffine Donaldisten die Geschichten zur Hand. Denn die ursprünglich auf Englisch verfassten Berichte des Carl Barks wurden von Dr. Erika Fuchs (1906-2005) kongenial ins Deutsche übertragen. Fuchs ergänzte die gezeichneten Stories um weitere Details und schuf, ganz nebenbei, Redewendungen und einen eigenen Kasus („Erikativ“), die in die Umgangssprache eingingen. Der Spruch „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör!“ oder die Erikative „Stöhn“, „Schluchz“ und „Heul“, gehen auf sie zurück. Folgerichtig erhielt die Übersetzerin auch ein eigenes Museum, das heute im oberfränkischen Schwarzenbach an der Saale beheimatet ist.
Die Forschungsergebnisse der Donaldisten, die in Foren, Fachzeitschriften und auf Kongressen teilweise leidenschaftlich diskutiert werden, sind also nicht nur Ausdruck eines schrägen Humors. Sie feiern die menschliche Kreativität und die wissenschaftliche Erschließung unserer Welt. In Zeiten von alternativen Fakten und dem populistischen Raunen von einer „Cancel Culture“ bieten sie neue Erkenntnisse – über die Enten, aber auch über uns selbst.
Patrick Bahners ist an diesem Erkenntnisgewinn maßgeblich beteiligt. So veröffentlichte er im Jahr 2014 die Monografie „Entenhausen. Die ganze Wahrheit“, in der er, neben der Frage, ob in Entenhausen Demokratie herrscht, auch beantwortet, was wir von den Enten und ihrer Welt lernen können.
Wir sagen: Einiges.
Ein todsicheres Entenhausener Mittel für den kommenden Winter sei deshalb schon verraten: „Schneebälle gibt es allemal, wenn pappen tut das Material!“
Ferdinand Leuxner M. A.
Literaturhinweise:
- Patrick Bahners: Entenhausen. Die ganze Wahrheit. C. H. Beck, München 2014.
- Johnny A. Grote: Who’s Who in Entenhausen. Die Spitzen der Gesellschaft. Ehapa, Berlin 1997.
- Gottfried Helnwein: Wer ist Carl Barks. Neff, Bayreuth 1993.
- Ernst Horst: Nur keine Sentimentalitäten! Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte. Karl Blessing, München 2010.
- Henner Löffler: Wie Enten hausen. Die Ducks von A – Z. C. H. Beck, München 2004.
- D.O.N.A.L.D.: https://www.donald.org/, abgerufen am 20. Oktober 2022.
Abbildungsnachweise:
Abb. 1: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Carl_Barks_San_Diego_Comic_Con_1982.jpg?uselang=de, CC BY-SA 2.0 (User:Alan Light), abgerufen am 20. Oktober 2022.
Abb. 2: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Erika-Fuchs-Haus,_Schwarzenbach_an_der_Saale.jpg, CC BY-SA 3.0 (User:Kreuzschnabel), abgerufen am 20. Oktober 2022.