Der lange Schatten antiker Objekte – Was wissen wir über unsere Exponate?
Teil 6/6: Ausblick
Museen haben die Aufgabe, Objekte zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen und auszustellen. Die meisten Museen in Deutschland sammeln heute nicht mehr aktiv. Das heißt sie suchen nicht nach Objekten, sondern warten darauf, dass ihnen Objekte angeboten werden. Passt ein angebotenes Objekt ins Sammlungskonzept des Museums, können sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Museum entscheiden, das Objekt in den Bestand aufzunehmen oder nicht. Zusätzlich zu den Einzelstücken bekommen Museen auch Angebote, eine schon bestehende Sammlung komplett zu übernehmen. In solchen Fällen nehmen Museen zusammen mit den begehrten Stücken auch andere Objekte an sich, die eigentlich nicht ins Sammlungskonzept passen. Mögliche Gründe können sein, dass ein Objekt thematisch nicht zum Museum passt, dass es schlecht erforscht ist, eine ungeklärte Herkunft hat oder möglicherweise gefälscht ist. Nichtsdestotrotz gilt bei solchen Stücken die Pflicht, sie zu bewahren, zu erforschen und auszustellen. Es gibt noch die Option, die Stücke mit einem anderen Museum zu tauschen. Das verlagert die Pflicht aber nur auf andere.
Wie sollten Museen nun mit Objekten umgehen, für die eine Herkunft aus einer Raubgrabung nicht ausgeschlossen werden kann und dem Kontext nach wahrscheinlich ist? Die beste Option ist, diese Stücke nicht im Depot zu verstecken, sondern sie der Öffentlichkeit zu zeigen und auf die unklare Provenienz hinzuweisen. Hat das Museum die Objekte rechtmäßig an sich genommen, kann es auch nicht vor Gericht zur Herausgabe verpflichtet oder anderweitig bestraft werden. Die Museen haben durch die Transparenz also nichts zu verlieren. Die Öffentlichkeit, die sich für die Objekte interessiert und die Expertinnen und Experten, die zu den Objekten forschen, haben hingegen eine Menge zu gewinnen. In den letzten Jahren konnte man diesen offenen Umgang mit unklarer Provenienz in Form von Sonderausstellungen und Publikationen auch stellenweise beobachten. Eine nachhaltige Wirkung kann sich allerdings nur dann einstellen, wenn die Objekte für jeden auf der Welt permanent zugänglich sind. Die ideale Lösung wäre eine internationale, mehrsprachige und strukturiert durchsuchbare Online-Datenbank, in die Fotos der Objekte und alle bekannten Angaben hochgeladen werden. So besteht für Objekte, die nie richtig klassifiziert wurden, sondern nur z. B. als „Volkskunst, Westafrika, 20. Jahrhundert“ inventarisiert wurden, die Möglichkeit, dass eine Expertin oder ein Experte irgendwo auf der Welt, z. B. in einem Land in Westafrika, das Stück finden und besser bestimmen kann. Eine solche Datenbank würde auch den Vergleich von Objekten eines Typs wie z.B. Figuren vom Typ „pretty lady“ erleichtern und so dabei helfen, Unterschiede zwischen nachgewiesenen Originalen und möglichen Fälschungen herauszustellen. Auch wenn inzwischen fast alle Museen die Digitalisierung ihrer Bestände für unerlässlich befunden haben, sind wir noch weit von einer solchen Datenbank entfernt. Einige Museen zeigen ihre Objekte auf eigenen Datenbanken, andere laden sie auf nationalen Datenbanken oder internationalen social media-Plattformen hoch. Es fehlen aber noch die Zentralisierung und die Vernetzung, die es bei der Wikipedia oder bei Bibliothekskatalogen bereits gibt. Vor allem fehlt aber noch die Digitalisierung der Inventare in vielen einzelnen Museen. Um dies zu erreichen, gibt es bislang keine andere Möglichkeit, als Menschen von Hand Fotos machen zu lassen und Informationen in Datenmasken eingeben zu lassen. Sofern diese Menschen keine Freiwilligen sind, müssen sie bezahlt werden – entweder von Steuergeld oder von anderen Freiwilligen, also einer Art Förderverein oder Stiftung. Museen können dieses Ziel unmöglich allein erreichen. Sie sind auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Eine solche Datenbank mitzufinanzieren kann sich für Bürgerinnen und Bürger durchaus lohnen. Zum einen stünde dann für die Bestimmung der eigenen Dachbodenfunde, für die bislang meist Ebay das beste Hilfsmittel ist, ein professionelles Werkzeug zur Verfügung. Zum anderen würde die erhöhte Interaktionsmöglichkeit der Bevölkerung mit den Objekten die Museen stärker in die Gesellschaft einbinden. Im Fall von Objekten mit kolonialer Herkunft oder aus Grabungen im Ausland böte eine Online-Plattform außerdem den Menschen in den Herkunftsländern der Objekte wenigstens eine begrenzte Möglichkeit, an dem kulturellen Erbe ihres Landes teilzuhaben. Denn während der Besuch eines Museums im Ausland für Menschen in Entwicklungsländern oft an Reisebeschränkungen scheitert, ist die Anbindung ans Internet bereits sehr weit fortgeschritten und wird weiterhin zunehmen.
Dr. Dennis Beckmann