Umbenennungen von Straßennamen in der Zeit des Nationalsozialismus
Oberstraße, Niederstraße, Beekstraße (Beeke = Bach, in Anlehnung an den nahen Dickelsbach) – seit der Frühen Neuzeit bieten Straßennamen und -schilder Orientierung innerhalb der Stadt, auch in Duisburg. Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Schilder zunehmend für Ehrungen und Erinnerungen genutzt. Zunächst machte sich der Einfluss von Adel und Kirche bemerkbar. Die Regierung der Weimarer Republik nutzte Straßennamen zur Ehrung demokratischer Akteure. Im Dezember 1929 wurde beispielsweise die Kaiserstraße in Laar und Beeck in Friedrich-Ebert-Straße umbenannt; die Friedrich-Ebert-Straße, die es in Hamborn bereits gab, erhielt den Namen Walter-Rathenau-Straße.
Ab 1933 benannten die Nationalsozialisten in machtpolitischer Motivation Verkehrswege um. Zunächst lag der Fokus auf Umbenennungen von demokratischen Repräsentanten aus der Weimarer Republik. Auch nicht-arischen Personen sollte die Ehrung auf Straßenschildern verwehrt werden. Die neuen Namen galten wiederum führenden NS-Kräften, militärischen Persönlichkeiten und Schauplätzen sowie Adolf Hitler selbst. Auch Personen aus den Reihen der sogenannten „alten Kämpfer“ aus den Anfängen der NSDAP wurden im Rahmen der Straßennamen-Umbenennungen geehrt. Gleichzeitig versuchte man das bürgerlich konservative Lager zu erreichen, indem Menschen wie Paul von Hindenburg auf Schildern vertreten waren und Schauplätze des Ersten Weltkriegs gewürdigt wurden.
Besonders häufig waren Straßennamen vertreten, die den Führungskreis der Nationalsozialisten ehrten. Die Friedrich-Ebert-Straße musste nun „Adolf Hitler“ weichen; die Hamborner Walther-Rathenau-Straße wurde 1933 zur Horst-Wessel-Straße, in Erinnerung an den Sturmführer der SA, der 1930 von Kommunisten ermordet worden war. Die 1936 eingeweihte Rheinbrücke zwischen Mündelheim und Uerdingen widmete die Stadt ebenfalls Hitler. Auch die Stadt Walsum, die seit 1974 zu Duisburg gehört, ehrte Hitler mit einer Straße. Mit diesem bewussten machtpolitischen Eingriff sollte die NS-Ideologie auch im Stadtbild sichtbarer werden. Dabei kam es aber, wie der Historiker Marcus Weidner betont, nicht zu einem „Straßenschildersturm“. In den meisten Städten wurde auf die gewachsenen historischen Strukturen Rücksicht genommen und primär Schilder in den oben genannten Kategorien umbenannt.
Einige Straßennamen verfügen erst auf den zweiten Blick über eine Verbindungslinie zum NS: ein Beispiel sind koloniale Bezüge, die sich auch in Duisburg wiederfinden. 1936 benannte die Stadt eine Siedlung in Duisburg-Buchholz im kolonialrevisionistischen Sinne. Der Wunsch nach Rückeroberung der Kolonialgebiete überdauerte die Weimarer Republik in bürgerlich konservativen Kreisen. Er wurde von den Nationalsozialisten propagandistisch genutzt, auch wenn die Kolonialfrage nicht im Hauptinteresse Hitlers lag und er mit den Eroberungen in Osteuropa seiner eigentlichen Strategie, Lebensraum im Osten zu schaffen, ab Juni 1941 näherkam. Die ehemaligen überseeischen Kolonialgebiete rückten zunehmend in den Hintergrund, wobei die Erinnerung an die dortigen (militärischen) „Erfolge“ weiterhin gerühmt wurde.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs galten die Straßennamen als ein wichtiger und sichtbarer Baustein der Entnazifizierung. In einer ersten Phase erhielten am 30. Mai 1945 auf Anweisung des Oberbürgermeisters Heinrich Weitz viele Straßen, die nach Nationalsozialisten benannt wurden, ihren vormaligen Namen. Andere wurden völlig neu benannt. In einer zweiten Phase beschloss der Stadtrat im Sommer 1949 die Umbenennung weiterer Straßen mit militaristischen Konnotationen (z.B. Hindenburgstraße, Litzmannstraße, Fliegerhorst, Tannenbergplatz). Als neue Namensgeber wählte man bewusst Kritiker, Gegnerinnen und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Dabei berücksichtigte man ein breites politisch-weltanschauliches Spektrum, um möglichst allen im Stadtrat vertretenen Parteien gerecht zu werden: Dem nationalliberalen Reichskanzler und Außenminister Gustav Stresemann wurde ebenso eine Straße gewidmet wie dem kommunistischen Widerstandskämpfer Kurt Spindler und dem katholischen Kardinal Clemens August Graf von Galen. Später wurden in Duisburg noch weitere Straßen speziell nach Gegnern und Opfern des Nationalsozialismus benannt, darunter Harro Schulze-Boysen und Gottfried Könzgen in Duisburg.
Heute sind die „Adolf-Hitler-Straßen“ und die „Plätze der SA“ aus den deutschen Städten verschwunden, dennoch sind Spuren der Straßenbenennungspraxis aus der Zeit des Nationalsozialismus noch erkennbar, wie das Beispiel aus Duisburg-Buchholz zeigt.
Von Christa-Maria Frins (Zentrum für Erinnerungskultur)
mit freundlicher Unterstützung von Dr. Michael Kanther und Dr. Andreas Pilger (Stadtarchiv Duisburg)
Weiterführende Literatur:
- Bake, Rita: NS-belastete Straßennamen in Hamburg, http://www.hamburg.de/ns-dabeigewesene/4462742/strassennamenspiegel-der-geschichte (30.06.2022).
- von Reeken, Dietmar/Thießen, Malte (Hg.): Ehrregime. Akteure, Praktiken und Medien lokaler Ehrungen in der Moderne (Formen der Erinnerung, 63), Göttingen 2016.
- Richterich, Robin: NS-Geschichts- und Erinnerungspolitik in Duisburg. Gedenkzeichen im öffentlichen Raum 1933-1938. In: Stadtarchiv Duisburg (Hg.): Duisburger Forschungen. Schriftenreihe für Geschichte und Heimatkunde Duisburgs. 62. Band, Essen 2018. S. 135-173.
- Templin, David: Wissenschaftliche Untersuchung zur NS-Belastung von Straßennamen, Hamburg: https://www.hamburg.de/contentblob/13462796/1d4b36cbfb9adc7fca682e5662f5854d/data/templin-abschlussbericht-ns-belastete-strassennamen.pdf (04.07.2022)
- Weidner, Marcus: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=900&url_tabelle=tab_websegmente (04.07.2022)