Die lange Odyssee eines römischen Ankers
Man sollte meinen, ein Anker, der bereits zur Römerzeit durch die Welt geschippert ist, hat alles erlebt, was es zu erleben gibt. Doch bis er endlich sicher in einem Museum verwahrt werden konnte, wartete noch eine letzte, aufregende Reise auf ihn…
Es war im Sommer 2017, als bei der Kiesförderung im Rhein ein ungewöhnlicher Fund gemacht wurde. In einem Kiesbaggerloch in Homberg fanden Arbeiter einen römischen Anker, vermutlich um die 2000 Jahre alt. Nachdem die Bodendenkmalpflege des LVR in Xanten und die untere Denkmalbehörde der Stadt Duisburg über den Fund informiert wurden, wurde der Anker zunächst ins Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg gebracht.
Doch was nun? Der Anker hatte Jahrhunderte im Wasser gelegen, man konnte ihn jetzt nicht einfach austrocknen lassen, denn dann wäre das marode Holz unwiederbringlich zerstört worden. Also lagerte man ihn zunächst provisorisch in einem Wasserbecken, um so schlimmere Schäden zu verhindern.
Als Lydia Stark, die Restauratorin des Kultur- und Stadthistorischen Museums, den Fund einige Zeit später begutachten sollte, zeigte sich bereits, dass dem Anker die Lagerung in einfachem Wasser nicht gut tat: Auf der Wasseroberfläche bildete sich weißer Schimmel. Doch einfach einen Zusatz gegen Fäulnisbildung dazuzugeben war auch keine Option, denn der Anker bestand zur Hälfte aus Blei und dieses wäre dadurch sicher angegriffen worden.


Nach Konsultation mit Dr. Ingrid Stelzner, einer anerkannten Expertin auf dem Gebiet der Nassholzfunde, stand fest, dass der Anker schleunigst in ein Konservierungslabor gebracht werden sollte. Es wurde eine Holzprobe genommen, die zur Erstellung eines Gutachtens ins Labor zu Dr. Jörg Stelzner geschickt wurde. Der Diplomrestaurator empfahl eine 20 Monate andauernde Behandlung mit Polyethylenglycol (PEG), um das Holz zu konservieren, ohne das Blei zu beschädigen. Normalerweise verwendet man PEG in der Herstellung von Medikamenten, zum Beispiel als Salbengrundlage oder als Wirkstoffträger für Tabletten, doch auch in der Restaurierung wird der Stoff erfolgreich eingesetzt, um feuchte Hölzer trocken zu machen.
Leider ist eine fast 2 Jahre andauernde und aufwändige Restaurierung ziemlich teuer, so dass erst einmal Gelder beschafft werden mussten und der Anker noch etwas länger im Wassertank verblieb. In der Zwischenzeit zog er zunächst ins Lager der Stadtarchäologie am Landschaftspark.
Jetzt kam Schwung in die ganze Geschichte: Mit Unterstützung der Kulturbetriebe der Stadt Duisburg konnten die benötigten Gelder bewilligt werden. Nun konnte der Anker endlich seine Reise ins Konservierungslabor von Dr. Stelzner antreten.
Dort verblieb der Anker 20 Monate im PEG- Bad und im Anschluss wurde auch das Bleistück vom Rost befreit, sodass der alte Anker nun in neuem Glanz erstrahlt .

Bereits 1968 wurde etwa 200 m von der Fundstelle dieses Ankers entfernt ein anderer römischer Anker gefunden, bei dem der hölzerne Teil allerdings schon zerstört war. Zwei Funde so nah beieinander lassen vermuten, dass während der Römerzeit ein Hafen in diesem Bereich gewesen sein könnte. Außerdem geben sie Aufschluss über den Verlauf des Rheins zur Zeit der Römer, denn der Fluss hat seinen Lauf mehrfach verändert.
Besonders interessant ist das geprägte „V“ auf dem Ankerschaft. Es deutet darauf hin, dass das Stück einst zu einem Schiff der V. Legion gehört haben könnte.
Seit Mai diesen Jahres ist der Anker nun endlich vollständig restauriert wieder im Museum der Deutschen Binnenschifffahrt. Hier soll er nun in die Dauerausstellung integriert werden.

Foto: Dr. Jörg Stelzner

Foto: Dr. Jörg Stelzner

Foto: Dr. Jörg Stelzner