Die Kriminalpolizei war neben der Verwaltungspolizei, die vor allem Aufgaben des heutigen Ordnungsamtes wahrnahm, und der Schutzpolizei, eine eigene Abteilung innerhalb des Präsidiums. Ihre Zuständigkeit umfasste das gesamte Spektrum der Kriminalität; die strategische Ausrichtung allerdings verlagerte sich in der NS-Zeit auf die sogenannte vorbeugende Verbrechensbekämpfung. Auf der Basis vermeintlich wissenschaftlicher Grundlagen und erbbiologischer sowie kulturalistischer Theorien, identifizierte die Polizei eine vermeintliche kriminelle Gefährdung bei Menschen, die Teil vor allem randständiger gesellschaftlicher Gruppen waren. Angehörige dieser als „asozial“ stigmatisierten Bevölkerungsteile, darunter auch Sinti und Roma, wurden von der Polizei willkürlich und ohne konkreten Deliktnachweis verfolgt. Kriminalpolizei und Geheime Staatspolizei (Gestapo) arbeiteten hierbei Hand in Hand. Organisatorisch und personell verliefen die Grenzen fließend.
Die zuständigen Duisburger Dienststellen mit den Kürzeln K I (B) oder K II (B) oder (B. V. [= „Berufsverbrecher“]) leiteten in den Kriegsjahren bei 300 Menschen Ermittlungen ein; gegen mehr als zwei Drittel dieser Menschen verhängten sie „Vorbeugungshaft“ im Konzentrationslager. Weitere 54 Menschen wurden seit September 1942 in KZs abgeschoben. Etwa ein Drittel der dorthin Verschleppten überlebte nicht. Noch höher lag der Opferanteil bei den Deportierten, die seit März 1943 von der „Dienststelle für Zigeunerfragen“ innerhalb von K I (B) in das „Zigeunerfamilienlager“ in Auschwitz-Birkenau verbracht wurden. 44 Sinti und Roma wurden nachweislich aus Duisburg nach Auschwitz deportiert; mindestens 39 von ihnen wurden ermordet.
Bei den Verfolgungs- und Gewaltmaßnahmen der Duisburger Polizei lassen sich kaum Unterschiede im Rang und der Vorbildung der zuständigen Beamten ausmachen. Auch auf Leitungsebene genügten weit verbreitete Vorurteile, um einen Menschen zu einer als kriminogen angesehenen Risikogruppe zu zählen. Julius Polke, der bis 1935/36 als Kriminaldirektor der Duisburger Kripo vorstand, veröffentlichte Mitte der 1930er-Jahre einen Aufsatz zum präventiven Vorgehen gegen „Bettler- und Landfahrerwesen“, die er pauschal für „sehr viele Diebstähle, Einbrüche, Vergewaltigungen, Kinderschändungen, Lustmorde und Brandstiftungen“ verantwortlich machte.
Kriegseinsatz
Mehrere Kripo-Beamte aus Duisburg waren während des Zweiten Weltkriegs zum Auslandseinsatz an der West- und Ostfront abgeordnet. Hier waren sie zum Teil an Gewaltverbrechen gegen die Zivilbevölkerung und am Holocaust beteiligt. Kriminalrat Alois Hülsdünke musste sich zum Beispiel nach dem Krieg für die Ermordung von 300 Juden in einem ukrainischen Lager verantworten; ihn traf allerdings nur eine milde Strafe von dreieinhalb Jahren Zuchthaus, weil man ihm zugutehielt, dass er zwar rechtswidrig, aber nicht aus „niedrigen Motiven“ gehandelt habe. Sein Kollege Kriminaloberassistent Karl Buchholz stand 1948 wegen Folter, Deportation und Geiselerschießungen im besetzten Belgien vor Gericht. Er leugnete seine Beteiligung und ging straffrei aus. Wie viele andere Beamte wurde er „milde entnazifiziert“ und konnte nach dem Krieg seinen Dienst in der Duisburger Kripo unbehelligt wieder aufnehmen.
Text: Dr. Andreas Pilger
Dieser Text basiert auf Recherchen des Historikers Dr. Ulrich F. Opfermann, die er für das Zentrum für Erinnerungskultur durchgeführt hat. Die Ergebnisse dieser Recherchen werden an anderer Stelle veröffentlicht.
Zum Weiterlesen empfehlen wir: Patrick Wagner, Volksgemeinschaft ohne Verbrecher. Konzeptionen und Praxis der Kriminalpolizei in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, Hamburg 1996, Kapitel: Präventives Polizieren vor Ort – das Beispiel der Duisburger Kripo, S. 344-374. Online verfügbar unter: https://www.zeitgeschichte-hamburg.de/contao/files/fzh/Digitalisate/Patrick%20Wagner%20Volksgemeinschaft%20ohne%20Verbrecher.pdf
Titelbild: Aufmarsch der Schutzpolizei vor dem Stadttheater/Duisburger Hof am sogenannten Tag von Potsdam, 21.3.1933. Foto: Stadtarchiv Duisburg, Fotosammlung, Nationalsozialismus/2. Weltkrieg B Nr. 77