Ausstellen oder Bewahren? Am besten beides!
Über 1 ½ Jahre blieb die Mercator-Schatzkammer wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. Lesen Sie hier, was während dieser Zeit hinter den Kulissen passiert ist.
Ab in die Vitrine und fertig? So leicht ist es leider nicht, besondere historische Objekte im Museum zu präsentieren. Die empfindlichen und teils jahrhundertealten Stücke brauchen viel Aufmerksamkeit und spezielle Pflege. Das gilt in besonderem Maß für die herausragenden Objekte der Mercator-Sammlung. Die Originalgloben Gerhard Mercators oder der letzte erhaltene Stadtplan des Johannes Corputius sollen schließlich auch zukünftige Generationen zum Staunen bringen und ihnen vermitteln, wie sich die Menschen des 16. Jahrhunderts die Welt erschlossen.
Dafür ist im KSM unsere Restauratorin Lydia Stark zuständig. Seit über 30 Jahren (genaue Zahlen werden hier natürlich verschwiegen) hegt und pflegt sie die Objekte des Museums, meist hinter den Kulissen. Jedes Objekt hat seinen eigenen Wert und bekommt die Aufmerksamkeit, die es benötigt. Dennoch sind auch für Frau Stark die Mercator-Globen etwas ganz Besonderes.
Konservatorische Bedingungen
Obwohl die Stücke, die in der Mercator-Schatzkammer präsentiert werden, nun schon Jahrhunderte überstanden haben, erfordern moderne restauratorische Standards ganz bestimmte Bedingungen für das Bewahren und Ausstellen der empfindlichen Objekte. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Raumklima: Nicht zu warm, nicht zu kalt und auf keinen Fall zu feucht. Die Werte dazu kontrolliert Frau Stark täglich mit Hilfe ihrer Messgeräte, die man bei genauem Hinsehen überall im Museum entdecken kann.
Die Exponate der Mercator-Schatzkammer haben unterschiedliche Beschaffenheiten und bestehen aus verschiedenen Materialien. Dies macht es unbedingt notwendig, gezielt auf die klimatischen und konservatorischen Erfordernisse einzugehen. Zur Objektgruppe Grafik / Papier in der Mercator-Sammlung gehören die beiden wertvollen Mercator-Globen, der Johannes-Corputius-Plan, der älteste und einzige erhaltene Stadtplan von Duisburg, die umfangreiche Sammlung an Kartografie sowie einzigartige Mercator-Atlanten und Bücher. Grafik / Papier gehört zu den lichtempfindlichsten Objekten in Sammlungen und im Ausstellungsbereich. Farbstoffe auf organischer Basis bleichen sehr schnell aus. Aquarellfarben reagieren empfindlich auf ein breites Spektrum des Lichts. Die konservatorischen Vorgaben lauten daher, den UV-Anteil zu vermeiden und die Belichtung, insbesondere den Faktor aus Beleuchtungsstärke und Zeit, zu minimieren. Bei organischen Materialien / Cellulose: Für fast alle Objektgruppen, vor allem aber für organisches Material, ist es wichtig, dass die Umgebungsbedingungen bei Präsentation und Aufbewahrung möglichst stabil sind. Insbesondere Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit müssen möglichst konstant gehalten werden. Die Absenkung der relativen Luftfeuchtigkeit reduziert die Rate der Hydrolyse (Spaltung chemischer Verbindungen durch Wasser) von Cellulose, aber die Rate der Brüchigkeit vergrößert sich, wenn die relative Luftfeuchtigkeit zu niedrig wird. Bei Proteinen, z.B. Pergament: Die Gelatinisierung (Aufquellen) von Kollagen steigt bei Erhöhung der relativen Luftfeuchtigkeit an, während irreversible Austrocknung bei sehr niedriger Luftfeuchtigkeit erscheint. Generell kann gesagt werden, dass diese Materialien sofort auf klimatische Schwankungen reagieren, wobei die Schwankungen der Luftfeuchtigkeit schnell zum Schrumpfen und Quellen des Materials führen können. Bei aktiven Sammlungen sollten beide Extreme sowohl Versprödung und Erweichung durch konstante Klimawerte verhindert werden, da diese Prozesse irreversibel sind. |
Vorbereitung der Klimaanlagen-Sanierung
2018 zeigten die Messungen aber leider keine erfreulichen Werte mehr für die Mercator-Schatzkammer. Nach ebenfalls fast 30 Jahren machte die Klimaanlage in diesem Gebäudeteil langsam schlapp. Eine neue Anlage musste also her.
Der Umbau konnte natürlich nur erfolgen, wenn die Objekte der Schatzkammer an einem sicheren Ort mit geregeltem Klima untergebracht waren. Daher entschied sich die Museumsleitung in Abstimmung mit der Restauratorin im Juni 2018 dazu, die Mercator-Schatzkammer vorübergehend zu schließen und alle Objekte auszuräumen. Auch hier war Frau Starks Expertise gefragt, denn Überlegungen zur Einhaltung der konservatorischen Standards bei der Umlagerung waren Grundvoraussetzung.
Ein Teil der Sammlung konnte intern, d.h. in einem dafür räumlich geeigneten, klimatisierten und vorbereiteten Depot im Museum eingelagert werden. Hierbei schuf das Museum beispielsweise durch Luftbe- und Entfeuchter spezielle Bedingungen, um die klimatischen Vorgaben für organisches Material, für die Globen und Grafiken sowie für die alten Bücher einzuhalten.
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Doch nicht nur Klimawerte spielten bei den Überlegungen eine Rolle. Auch die Sicherheit der wertvollen Objekte musste gewährleistet sein. Das Museum verfügt selbstverständlich über Depots, die umfassend gegen Diebstahl gesichert sind. Auch für Notfälle ist das Haus gewappnet. Für die besonders wertvollen Objekte der Mercator-Sammlung, etwa die Globen, war es dennoch unbedingt notwendig einen speziell gesicherten Lagerort vorzusehen. Aus diesem Grund wurde dieser Teil der Sammlung in einem externen klimatisierten Depot einer Kunstspedition eingelagert.
„Das war schon eine schwierige Entscheidung.“ betont Lydia Stark. „Diese besonderen Objekte für nicht absehbare Zeit aus dem Haus zu geben war unangenehm, aber leider auch unumgänglich“.
Verpacken und Transport
Gut verschnürt und Briefmarke drauf? Von wegen! Auch das Aus- und Umlagern der Exponate ist komplizierter als man vielleicht zunächst meinen würde. Zunächst begutachtete unsere Restauratorin alle Exponate bei der Entnahme aus den Vitrinen und prüfte sie auf ihren Erhaltungszustand. Alles wurde natürlich schriftlich und fotografisch dokumentiert, damit später nachvollziehbar sein würde, ob Schäden hinzugekommen sind.
Um dies zu verhindern, kamen beim Einpacken nur schadstofffreie Materialen zur Anwendung. Die Bücher und Atlanten wurden in säurefreie und atmungsaktive Kartonagen verpackt. Auch Erschütterungen und Stöße mussten bei den Transporten unbedingt vermieden werden, da sie zu Schäden an den Objekten führen können.
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Für den externen Transport und die Einlagerung bei der Kunstspedition wurden die Exponate in sogenannte Klimakisten verpackt. Diese schützen die Objekte vor dem Außenklima, indem sie luftdicht abgeschlossen sind und speziell angefertigt wurden, um bestimmte Bedingungen in ihrem Inneren zu gewährleisten.
Der Johannes-Corputius-Plan wurde mit solch einer Klimakiste transportiert, ebenfalls der Erd- und Himmelsglobus von Gerhard Mercator. Die beiden Globen mussten für den Transport vorher auch noch speziell gesichert und arretiert (festgestellt) werden, um Schwingungen der Kugel im Gestell zu verhindern. Deshalb wurde zusätzlich zur Klimakiste, eine maßgeschneiderte „Multiplexkiste“, als Transportkiste und Umverpackung benutzt. Diese wurde dann für den Transport in die Klimakiste eingesetzt.
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Bei all den Überlegungen und Planungen standen die Kollegen am Tag des Abtransports dennoch vor einem unerwarteten Problem: Klimawerte stimmten, die Stücke lagen sicher und gut verpackt in ihren Kisten. Aber niemand hatte daran gedacht, den Fahrstuhl auszumessen! Die großen Klimakisten passten nicht durch die Tür… Es blieb also nichts anderes übrig, als die Globen nur in ihrer Transportkiste vorsichtig von der ersten Etage in die untere Etage zu befördern. Doch auch diese Hürde konnte zum Glück ohne Schäden genommen werden.
Und dann ging es ab in den Lkw!
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Geduld ist gefragt
Nun begann die Zeit des Wartens. Aus ursprünglich geplanten 5 bis 6 Monaten wurden erst 9, dann 12 und schließlich fast 20 Monate, die der Umbau der Klimaanlage dauerte. Warum? Das wissen am Ende wohl nur die Handwerker. An dieser Stelle ersparen wir Ihnen die vielen unerwarteten Probleme und Verzögerungen, die wohl jeder kennt, der schon mal ein größeres Bauprojekt unternommen hat.
Als dann endlich ein Ende in Sicht und der Einbau der neuen Anlage abgeschlossen war, stand vor einer Neueröffnung der Schatzkammer, die alle Mitarbeiter*innen des Museums mit Spannung herbeisehnten, noch eine vierwöchige Testphase der Klimaanlage an. Es sollte natürlich kein Risiko für die Sammlung eingegangen werden.
Das Ende ist in Sicht
Währenddessen begannen im Januar 2020 die Planungen für den Rücktransport und die Wiedereinrichtung der Schatzkammer: Anfang Februar wurde sie gründlich gereinigt: Feinstäube von den Bauarbeiten hatten sich auf den Oberflächen abgesetzt. So wollten wir die Exponate natürlich nicht wieder bei uns willkommen heißen.
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Insgesamt war die Mercator-Schatzkammer für das Publikum über einen Zeitraum von 20 Monaten geschlossen. Umso größer war die Freude als am 11. März 2020 die ausgelagerten Exponate endlich „nach Hause“ kamen und wieder ihren gebührenden Platz in der Mercator-Schatzkammer einnahmen.
Vorsichtig befreiten Frau Stark und die Mitarbeiter der Kunstspedition die Globen zunächst aus ihrem Übergangsheim.
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Die Spannung war natürlich groß: Hatten die Objekte trotz aller Maßnahmen Schaden genommen? Frau Stark begutachtete alle Stücke ganz genau und am Ende konnten alle aufatmen: alles okay!
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Nun endlich strahlte die Schatzkammer wieder in gewohntem Glanz mit all den kostbaren Exponaten.
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Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Doch nicht nur die Mitarbeiter des Hauses hatten die Rückkehr der Exponate mit Spannung erwartet. Auch die Besucher*innen sehnten sich die Schatzkammer zurück.
„Immer wieder mussten wir Gäste, die speziell für diese Sammlung anreisen wollten, vertrösten. Und auch unsere Stammkunden haben die Mercator-Schätze sehr vermisst.“, gibt unsere Direktorin Dr. Susanne Sommer zu. „Umso schöner, dass wir jetzt wiedereröffnen und die wertvollen Stücke unter besten Bedingungen präsentiert werden können.“
Direkt am Folgetag wurde die Schatzkammer bei der Jahreshauptversammlung der Mercator-Gesellschaft wiedereröffnet. Die Freude war groß und am nächsten Tag freuten sich auch die ersten „normalen“ Besucher wieder über die Mercator-Exponate.
Aus allseits bekannten Gründen währte die Freude jedoch nicht lange: Am 14. März wurde das Museum, wie alle anderen Kultureinrichtungen, zur Eindämmung der Corona-Pandemie geschlossen. Die Mercator-Schätze verschwanden erneut hinter geschlossenen Türen.
Wir freuen uns jedoch mit Ihnen, dass das Museum seit dem 5. Mai wieder geöffnet ist und wir Ihnen nun endgültig und hoffentlich dauerhaft die Schatzkammer präsentieren können.