Mit Beginn der Frühen Neuzeit kehrte in Duisburg weiterhin keine Ruhe ein. Aufgrund ihrer Lage und der territorialen Entwicklung am Niederrhein, wurde die Stadt weitere Male in politische Konflikte hineingezogen, welche teilweise kriegerische Ausmaße annahmen. Resultierend aus dem ständigen Kriegszustand, geriet die Stadt in eine finanzielle Notlage. Immer wieder mussten fremde Soldatenheere einquartiert und die Befestigungen der Stadt verstärkt werden. Missernten und Pestausbrüche sorgten für Lebensmittelknappheit, hohe Unterhaltungskosten und eine hohe Zahl verwaister Kinder. Obwohl die Stadt bemüht war ihre Selbstständigkeit zu behalten und ihre Identität als Reichsstadt zu wahren, so gehörte diese am Ende des 17. Jahrhunderts dem großen Territorium Brandenburg-Preußens an.
Duisburg kommt nicht zu Ruhe
Unter Herzog Johann I. von Kleve wurden die Territorien Mark und Kleve im Jahre 1461 vereinigt. Sein Sohn Johann II. übernahm 1481 nach dem Tod des Vaters die Herrschaft über das Territorium. Sein Einfluss sollte die Entwicklung der Territorien am Niederrhein maßgeblich prägen. Herzog Johann II. hatte es geschafft, eine Heirat zwischen seinem Sohn Johann III. und Maria von Jülich-Berg zu arrangieren. Mit dem Tod von Herzog Johann II. von Kleve im Jahre 1521 waren nun die Herzogtümer und Grafschaften Jülich, Kleve, Berg, Mark sowie Ravensberg unter Herzog Johann III. vereinigt. Das Wachstum des Territoriums hat unter seinem Sohn Herzog Wilhelm V. seinen Höhepunkt erreicht. Im Jahre 1539 herrschte Wilhelm neben dem ehemaligen Territorium seines Vaters, zusätzlich über Geldern. Diese wachsende Macht war Kaiser Karl V. ein Dorn im Auge. Als Folge von kriegerischen Handlungen musste Herzog Wilhelm 1543 die Herrschaft über Geldern abtreten.
Das strenge Ketzergesetz von Kaiser Karl V. und die Glaubensverfolgungen sorgten für regelrechte Flüchtlingsströme. Aufgrund seiner Nähe zu den Niederlanden wurde das Herzogtum Kleve zu einem Zufluchtsort für viele Glaubensflüchtlinge. Ein weiterer Faktor dafür war die Haltung Herzog Wilhelms zur Glaubensfrage. Auf der Grundlage des Humanismus strebte er die Überwindung zwischen der katholischen und der protestantischen Kirche an, mit dem Ziel beide Glaubensrichtungen miteinander zu verbinden.

Der Erbfolgestreit in den klevischen Landen
Herzog Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg hatte zwei Söhne. Der ältere Sohn Karl-Friedrich sollte zukünftig das Erbe des Vaters antreten und die Herrschaft des Territoriums übernehmen. Der jüngere Sohn Johann Wilhelm schlug die geistliche Laufbahn ein. Im Jahre 1575 starb Karl-Friedrich überraschend auf einer Bildungsreise. Nun musste der Jüngere in Zukunft das Erbe des Vaters antreten. Nach einer weiteren kinderlosen Ehe starb Johann Wilhelm am 25. März 1609. Mit seinem Tod war die klevische Linie im Mannesstamm erloschen. Sein Tod löste einen Konflikt unter den möglichen Erben aus, welcher mehrere Jahrzehnte anhielt.
Kaiser Karl V. hatte Herzog Wilhelm von Kleve zu seiner Hochzeit mit der österreichischen Prinzessin Maria im Jahr 1546 zugesagt, dass beim Fehlen männlicher Nachkommen der Anspruch an den klevischen Erblanden der ältesten Tochter zuteilwerden sollte. Die beiden Töchter des Herzogs Wilhelm V. hatten sich zum evangelischen Glauben bekannt und waren mit evangelischen Fürsten verheiratet. Beide Seiten sahen sich selbst als rechtmäßige Nachfolge an, weswegen es zum Konflikt kam. Auch Kaiser Rudolf II. hegte Pläne, um sich die Macht in Kleve zu sichern. Mithilfe von starken Verbündeten versuchten sich beide Parteien durchzusetzen. Im Jahre 1648 endete der Dreißigjährige Krieg mit dem Westfälischen Frieden. Der Erbfolgestreit überdauerte den Krieg, ohne ein Ende in Aussicht zu haben. Die wirtschaftliche Lage am Niederrhein war durch die vorangegangenen Konflikte in vielen Städten angespannt, so auch in Duisburg. Immer wieder wurde der Konflikt durch neue Mächte, die sich einmischten, verlängert. Am 19. September 1666 kam es in Kleve zu einem Abschluss der Verhandlungen im Erbfolgestreit zwischen dem Kurfürsten von Brandenburg und dem Pfalzgrafen von Neuburg. Am 25. Oktober huldigte Kleve dem Kurfürsten. In Duisburg fand die Huldigung erst ein Jahr später am 26. und 27. Oktober statt.
Duisburg als Teil des Herrschaftsgebiets Brandenburg-Preußen
Lange vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs bestand das Herrschaftsgebiet der Kurfürsten von Brandenburg aus drei größeren Hauptländern. Dazu zählten Brandenburg, Preußen sowie die Erblande am Rhein. Letztere konnten erst nach dem Westfälischen Frieden vollständig gesichert werden. Äußerlich wurden die einzelnen Territorien wegen des Kurfürsten von Brandenburg zusammengehalten. Im Inneren waren die teils weit entfernten Territorien ohne Zusammenhalt und stets bemüht, sich gegen Eingriffe des Kurfürsten zu wehren. Die Abwehrhaltung ging von den lokalen Ständen und den Regierungen aus, die weiterhin unabhängig vom Herrschaftsgebiet herrschen wollten. Die Juden waren in den meisten Teilen des Herrschaftsgebiets Brandenburg-Preußen fast vollständig vertrieben worden. Es gab keine große jüdische Organisation mit festen Strukturen. Vielmehr waren es vor allem verstreute Siedlungen und einzelne Familien, die in den einzelnen Teilen des Herrschaftsgebiets lebten. Unter dem Großen Kurfürsten änderte sich die Judenpolitik maßgeblich. Lag die Entscheidung über deren Aufnahme vorher bei den lokalen Obrigkeiten, so nahm Kurfürst Friedrich Wilhelm das nun selbst in die Hand. Ab den 1650er Jahren begann Friedrich Wilhelm mit der Ansiedlung von Juden in seinem Territorium und stellte Geleitbriefe aus. Die gelockerte Judenpolitik des Großen Kurfürsten war ein konfliktfördernder Aspekt in der Auseinandersetzung mit den Städten des Herzogtums Kleve. Die Lage der klevischen Juden verschlechterte sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts, denn die Judenpolitik des Großen Kurfürsten unterlag in den letzten Jahren seiner Herrschaft einigen Veränderungen. Die Steuerforderungen an die Juden in seinem Territorium wurden deutlich erhöht. Der Niedergang der niederländischen Handelspartner sorgte am Niederrhein für eine Wirtschaftskrise. Das Motiv der Ausbeutung und die antijüdische Haltung wurden von seinen Nachfolgern verschärft bis schließlich der Großteil der klevischen Judenschaft verarmte und die Städte am Niederrhein verließ.

Die Bildung einer Landjudenschaft
Die Urbanisierung der Judengemeinden fand durch die Vertreibungen während der Pestjahre ein jähes Ende. Die Juden mussten auf kleinere Ortschaften und Städte ausweichen, welche vorwiegend ländlich gelegen waren. Sie lebten nun meist verstreut und vereinzelt in den Territorien. In diesen Territorien bestand das Bedürfnis nach einer neuen Organisationsform, was zur Bildung der Landjudenschaften beitrug. Ein weiterer Grund für die Ausbildung der Landjudenschaft war der äußere Druck des Herrschers und der christlichen Gesellschaft auf die Juden. Mithilfe einer übergeordneten Organisation konnten sie diesem Druck standhalten und ein Gemeindeleben ausbilden. Die Landjudenschaft besaß die Autonomie zur Selbstverwaltung und Gerichtsbarkeit. Der Herrscher kontrollierte die Landjudenschaft durch seine Aufsicht, griff aber nicht in interne Strukturen ein. Die Vereinheitlichung aller Juden innerhalb einer Organisation erleichterte die Steuererhebung der Herrscher ungemein. Die Leitung der Landjudenschaft wurde vom Kleinen Rat übernommen. Der Kleine Rat bestand aus dem Landesrabbiner, einem Vorstand sowie einem Obervorsteher oder Fürsprecher, der alle drei Jahre vom Landtag gewählt wurde. Er besaß die größte Entscheidungsmacht. Die Selbstverwaltung wurde durch den Landtag organisiert. Die Weisungen des Kleinen Rats waren besonders zwischen den Landtagen entscheidend. Alle steuerpflichtigen Familienoberhäupter trafen sich regelmäßig im Abstand von drei bis vier Jahren, um über die Verteilung der Verwaltungs- und Kultuskosten zu entscheiden. Die Obervorsteher ließen den Landtag nicht in einer solchen Regelmäßigkeit zusammenkommen, wodurch sie ihre Amtszeit selbst verlängerten.
Im Herzogtum Kleve bildete sich mit dem Ende des 16. und dem Anfang des 17. Jahrhunderts eine überörtliche Landjudenschaft. Sie ist nicht die älteste Landjudenschaft im Reich, denn bereits am Ende des 16. Jahrhunderts gab es diese Form der Gemeindeorganisation in Hessen-Kassel und in kurkölnischen Territorien. Die jüdischen Siedlungen im Herzogtum, die oftmals nur aus einer oder wenigen Familien bestanden, blieben bis zur Auflösung der Landjudenschaft politisch abhängig. Die klevische Landjudenschaft pflegte keine Beziehungen zu anderen Landgemeinden. Einzige Ausnahme stellte die märkische Judengemeinde dar. Insbesondere durch die Nähe beider Länder zueinander, entwickelte sich eine stabile Beziehung. Die Juden beider Länder zahlten ihre Steuern gemeinsam und vertraten ihre Interessen häufig zusammen. An oberster Stelle der gesamten Verwaltung der klevischen Judenschaft stand der Fürsprecher, welcher seit Mitte des 17. Jahrhunderts aus der Familie Gumperts stammte. Sie war eine der einflussreichsten Familien im Herzogtum Kleve.
Autorin: Selina Oral
Zum Weiterlesen
Aschoff, Diethard: Die Juden in Antike und Mittelalter, in: Michael Zimmermann (Hg.): Die Geschichte der Juden im Rheinland und in Westfalen (Schriften zur politischen Landeskunde Nordrhein-Westfalens 11), Stuttgart² 2021, S. 13-71.
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Hofius, Kurt: Die Pest am Niederrhein, insbesondere in Duisburg (Duisburger Forschung 15), Duisburg 1971.
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Prieur, Jutta: Juden am Niederrhein. Vom ersten Kreuzzug bis zur Judenemanzipation in französischer Zeit, in: Dieter Geuenich (Hg.): Der Kulturraum Niederrhein. Von der Antike bis zum 18. Jahrhundert (Bd. 1), Bottrop, Essen 1996, S. 139-156.
von Roden, Günter: Geschichte der Duisburger Juden (Duisburger Forschungen 34 Teil 1), Duisburg 1986.
Zittartz-Weber, Suzanne: Von der Frühen Neuzeit bis zur Judenemanzipation, in: Michael Zimmermann (Hg.): Die Geschichte der Juden im Rheinland und in Westfalen (Schriften zur politischen Landeskunde Nordrhein-Westfalens 11), Stuttgart² 2021, S. 72-128.
Ziwes, Franz-Josef: Jüdische Niederlassungen im Mittelalter, in: Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft VIII/7, Köln 2002.